Beispiel 4: Fall – Pädagogische Psychologie gefragt

Sie unterrichten in der Abschluss-Klasse einer Berufsschule, deren psychische Leistungsmotivation – wie fast immer der Fall – ersichtlich unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Prüfungen stehen bevor – Sie sichten die Lage.
 
Ein kleiner Teil der Auszubildenden(Gruppe A) erlebt die anstehende Prüfung als positive Herausforderung, ihr Wissen und Können unter Beweis zu stellen. Sie sind zuversichtlich, eine gute Note zu schreiben und geben diese Hoffnung auf Erfolg kund. Sie interessieren sich für die wesentlichen Fächer und wissen, dass sie in ihnen über gute Kompetenzen verfügen. Sie gehen davon aus, dass das Anspruchsniveau ihrem Können entspricht. Ihre in der Regel guten bis sehr guten Leistungen stärken ihr Selbstkonzept und erfüllen sie mit Stolz über die bisherigen Leistungen.
 
Für eine zweite, größere Gruppe Ihrer Auszubildenden ist die Ankündigung der Prüfung hingegen kein positiver Anreiz (Gruppe B). Vielmehr löst sie Furcht vor einem Misserfolg aus. Die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten werden als eher niedrig eingeschätzt, im Vergleich zu ihren Lernvoraussetzungen empfinden sie die Aufgaben als sehr schwierig
und zu anspruchsvoll. Einige Mitglieder dieser Gruppe neigen dazu, unrealistische Zielvorstellungen zu verfolgen.
 
Es gibt noch ein dritte, im Fall dieser Klasse vergleichsweise kleine Gruppe (Gruppe C): Bei ihr löst die Ankündigung der Prüfung keinerlei Anzeichen einer Leistungsmotivation aus in dem Sinne, dass sie diese unter Beweis stellen wollen. Diese Auszubildenden wollen Ihrem persönlichen Eindruck nach weder ihre Kompetenz verbessern noch möchten Sie ihre Leistungen mit denen der anderen vergleichen. Ihr Ziel ist es nicht durchzufallen. Sie wollen also lediglich eine Note vermeiden, die zu einer Wiederholung der Prüfung führen würde. Dieses Ziel soll weniger durch eigene Anstrengung als vielmehr durch die Hilfe anderer Auszubildenden erreicht werden, z.B. des Sitznachbarn.
 
Sie selbst wollen sich als Klassenlehrer*in vor dem Ende des Schuljahres noch genauer mit zwei pädagogischen Themen auseinandersetzen: Zum einen haben Sie den Eindruck, in der Klasse treten im Rahmen der
Prüfungsvorbereitung zunehmend Störungen im Unterricht auf. Sie suchen daher nach Möglichkeiten, diesen stärker zu begegnen. Zum anderen möchten Sie Ihren Auszubildenden Tipps in die Hand geben, wie diese selbst aktiv zu einer
Prüfungsvorbereitung in der anstehenden Selbstlernphase beitragen können.
 
Zu beiden Themen möchten Sie im Rahmen einer kollegialen Intervision ein Impuls-Referat halten. Es steht bald an.
Im Rahmen Ihrer methodischen Vorbereitung beschäftigen Sie sich mit den Regeln der freien Rede. Außerdem gehören Sie zum Organisations-Team der Intervision, die an Ihrer Schule als regelmäßiges Verfahren noch neu ist. Auch Sie
machen das zum ersten Mal und sind noch etwas skeptisch. Deshalb setzen Sie sich im Vorfeld der Veranstaltung mit den Voraussetzungen der Intervision auseinander. Sie möchten sich schließlich nicht blamieren und wollen bestens vorbereitet sein, wenn es losgeht…
 
©SiegelTraining, frei nach Fritz/Hussy/Tobinsky 2014, S. 180
 
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